Donnerstag, 3. Dezember 2009

Mutter und Tochter (Kurzmärchen)

Es war einmal eine Mutter, die gebar ein wunderschönes Mädchen.
Als es höchste Zeit war für die Tochter, erwachsen zu werden, da war die Mutter erfüllt von Liebe, und noch mehr von Sorge.
Sie drückte die Tochter an sich und nahm ihr den Atem. Jetzt weint sie am Grab und hadert mit den äußeren Umständen.
 
(Ähnlichkeiten mit (noch) lebenden Personen oder Institutionen ungewollt und rein zufällig)
 
R@iner
 

Mittwoch, 11. Februar 2009

Der König und das neue Rennpferd

Es war einmal ein König, der hatte 7 Pferde im Stall.
Die Pferde waren mit der Zeit in die Jahre gekommen, und der König beschloss, seine Berater zu versammeln, damit sie ihm das beste Rennpferd suchen mögen, um Ersatz für sein Ältestes zu finden. Die anderen, so bestimmte er, die mögen im Jahresrhythmus getauscht werden.
Eines nach dem Anderen. Wobei auf ein gewisses optisches Gleichmaß Wert zu legen wäre, das ließ er seine Berater wissen.
Gesagt, getan. Die Berater gingen zu Werke, und sie begaben sich auf die Suche.
Der König hatte viele Berater.
Er hatte Spezialisten für Geschwindigkeit, Ausdauer, Ernährung, Fellpflege, Hufpflege, um nur die wichtigsten aus den Fachbereichen zu benennen. Und er hatte Experten für Umweltschutz, für Gesundheit und Arbeitnehmerschutz. Und seit er sich von einem fahrenden Händler hatte eine sogenannte ISO-Zertifizierung aufschwatzen lassen, da hatte er auch noch eine Reihe von Beratern für allgemeine Tugenden: Einen für Project Integration Management, einen für Project Scope Management, einen für Project Time Management, einen für Project Cost Management, einen für Project Quality Management, einen für Project Human Resources Management, einen für Project Communication Management, einen für Project Risk Management, und einen für Project Procurement Management. Und fast hätte ich vergessen zu erwähnen, seine Stallgehilfen, die waren gewerkschaftlich organisiert und sie hatten natürlich einen frei gestellten Betriebsrat, das versteht sich von selbst und das sei bloß am Rande erwähnt.
Die Tage zogen ins Land, und es schien, als wäre die Suche schwieriger, als ursprünglich angenommen.
Der König war neugierig und er bekam regelmäßig Bericht. Die Berichte, die der König erhielt, ließen die Probleme erahnen, mit denen sich die Berater herumzuschlagen hatten. Die Probleme waren vielfältig und erstaunlich komplex, aber die Berichte ließen ausreichend Raum für Zuversicht.
Der Tag der Übergabe des neuen Rennpferdes war zwar immer wieder verschoben worden, aber der König blieb hoffnungsvoll angesichts seines ungetrübten Vertrauens in seine Experten. Im Ende werde wohl das beste Rennpferd gefunden sein, man scheute schließlich weder Kosten noch Mühen, und sein Wunsch war Befehl.
Und wenn sich schon einmal ein leise aufkommender Zweifel erlaubte aufzukeimen, dann beeilte sich der König, diesen eilig hinweg zu wischen. Was hätte er denn ausrichten können, ganz alleine, in seinen königlichen Gemächern, hoch oben im Turm? Und dass er selbst über die Wartezeit alt und grau geworden war, das übersah er geflissentlich. Wer will den schon gerne an sein eigenes Altern erinnert werden.
Die Spannung war groß. Und letztendlich war der Tag doch noch gekommen, an dem der König sein neues Rennpferd besteigen sollte.
Der Hofstaat war angetreten, der Zeremonie den gebührlichen Rahmen zu geben, und der König schickte sich an, die feierlich geschmückte Arena zu betreten, in der ihm das neue Rennpferd übergeben werden sollte.
Schon von Weitem hörte der König ein aufgeregtes Gemurmel und Geraune von den Rängen, das zu erklären er sich nicht vermochte. Doch als er die königliche Loge betrat, und sich der Blick auf das Ergebnis der umfassenden Suche auftat, war seine Erstaunen groß.
Vor seinen Augen, da stand ein Kamel.
Perfekt in seiner Art und einzigartig. Mit zwei wogenden Fettreservoirs am Rücken, jederzeit in der Lage, längeren Hungerperioden zu trotzen. Mit breiten haarigen Hufen, die ein Einsinken im Treibsand der Dünen verhindern. Mit langen schlanken Beinen, die einen wiegenden Gang garantieren, optimal für die ohnehin angeschlagenen Bandscheiben seiner Durchlauchten Majestät. Resistent gegen Wassermangel über mehrere Wochen, und dumm wie das Stroh, dem es permanent malmend trotz ärgster Dürre das letzte Tröpfchen an Flüssigkeit abzuringen im Stande war. Strohdumm sozusagen, apathisch und entsprechend einfach zu handhaben.
Bloß Rennen würde er damit keines gewinnen, das war ihm wohl klar, aber die Lust dazu war dem König über die Jahre ohnehin abhanden gekommen, und wenn er nicht gestorben ist, dann lebt er wohl noch heute.

Für jene, die ein Märchen mit positivem Ende haben möchten: Es gibt auch Kamelrennen, und der König hielt sich gut im Durchschnitt seiner Konkurrenten.

R@iner (nach einer Anregung von John H.)