Freitag, 30. Dezember 2011

Wandermärchen (Teil 2)

Viele Jahre sind ins Land gezogen, seit dem Moment in dem die sechs Männer erkannt hatten, dass ihnen Vertrauen fehlte.
Nach dem Blick in die Kugel hatte dann ein Wort das Andere ergeben, worauf die Führer zornig aufgesprungen waren und wort- und grußlos die Tür der Hütte hinter sich ins Schloss geworfen hatten. Die vier hatten dann noch mit den Weibeln Rat geschlagen, was denn nun zu tun sei. Man war überein gekommen, dem Tourismusverband Mitteilung zu machen: Kein Vertrauen in der Mannschaft, Expeditionserfolg gefährdet. Und das tat man auch.

Die Führer waren ihrerseits aktiv geworden. Die Mannschaft hätte ihnen das Vertrauen entzogen, war die Sicht Ihrer Dinge. Und der Leiter des Tourismusverbandes schäumte und tobte. Er befahl die sechs zum wöchentlichen Rapport, um Funktionieren abzusichern, und er beauftragte einen expeditionserfahrenen engen Vertrauten, die beiden Führer an der Hand zu nehmen.
Doch es half alles nicht.

Letztendlich entband er alle Sechs von ihren Aufgaben, suchte neue Führer und Geführte. Der Vertraute nahm sie bei der Hand, zeigte ihnen, wie es geht. Und siehe, die Erfolge stellten sich ein. Gipfelfotos machten die Runde, erst vom Anningerschutzhaus, später von der Aiger Nordwand, und nachdem sich der Vertraute anderen Aufgaben zugewendet hatte auch von Piz Buin und selbst Mount Everest schien in greifbarer Nähe.

Alles schien in bester Ordnung, bis durch Zufall Zweifel an der Echtheit der Gipfelfotos aufkam. Anninger blieb zweifelsfrei. Doch die Aiger Nordwand erinnerte plötzlich in einem untrügerischen Detail an die Lutterwand bei Rodaun und der Piz Buin an den Peilstein im südlichen Wienerwald...
Fortsetzung folgt.

R@iner am 30.12.2011
Fabel aus dem Berufsleben, meinen Wasserfall-Gefährten gewidmet.

Wandermärchen (Teil 1)

Donnerstag, 24. März 2011

Großvater an Enkelsohn (Brief)

Mein Enkelsohn!
Vor mir steht ein junger Mann in zerrissenen Jeans und fleckiger Jacke, mit fahrigem Bart und verschlissenen Schuhen, der sein von Dreadlocks versetztes wirres Haar mit einer alten Stoffwindel am Kopf bändigt.
Ich kann diesen Anblick nicht ertragen.
Denn wenn ich dich ansehe, dann sehe ich das Bild von einem Hippie aus den 60er Jahren. Einen Menschen, der dem, was mir damals wichtig war und heute wichtig ist, den Rücken gekehrt hat. Ich sehe das Bild von einem dieser Aussteiger, die sich in die griechischen Höhlen von Matala (http://de.wikipedia.org/wiki/Matala) zurückgezogen haben. Die sich mit Ihresgleichen zukiffen, ihre Seele im Wind baumelnd in den Tag hinein leben. Ohne Verantwortung zu übernehmen, ohne Ziel.
Ich sehe das Bild von einem, der am Karlsplatz herumhängt. Einen Drogenabhängigen, einen Obdachlosen, einen Bettler und Schnorrer, einen Nichtsnutz.
Zu Kriegsende 1945 war ich 15. Wir hatten nichts. Winzige Gemeindewohnung, kaum etwas zu essen. Mein Ziel war, raus aus dem Dreck. Raus aus der Enge, raus aus dem Mangel.
Meine Strategie war Arbeiten und Geld verdienen.
Wenn ich sage, "du tust nichts," dann meine ich, du tust nichts, was mir wichtig ist. Denn mir ist wichtig, Arbeit haben und Geld verdienen. Den Unterhalt bestreiten. Ich will Ordnung. "Ordnung ist das halbe Leben." Und ich will Sicherheit. Sicherheit, dass ich nie wieder im Dreck lande, in der Enge, im Mangel.
Darum ist's mir mein ganzes Leben lang gegangen, und das vermisse ich bei dir.
Dein Bild zu ertragen, würde mir abverlangen, dass ich mich ändere. Ich müsste das für gut erachten, was Dein Bild für mich verkörpert. Ich müsste die Mentalität, die ich hinter diesem Bild und hinter dem was du tust vermute, akzeptieren. Aber das will ich nicht. Ich will mich nicht ändern.
Das Gute in dir, mein Enkelsohn, es ist so gründlich hinter meinen Vorurteilen verborgen, dass ich nicht im leisesten auf den Gedanken komme, danach zu suchen.
Und das hindert mich daran, dich zu lieben.
Ich will dich nur lieben, wenn du in mein Schema passt.
Schneid' dir die Haare, rasier' dich und zieh dir was ordentliches an.
Und lass mich, ich bin müde.
Hochachtungsvoll
Dein Großvater
(Entwurf)
Frei nach einer Begebenheit vom 23.03.2011

Dienstag, 1. Februar 2011

Das goldene Verpackungspapier

Es war ein mal ein Mann, der hatte eine kleine Tochter.
Die vergeudete eine ganze Rolle goldglänzendes Verpackungspapier, um eine Schachtel zu verzieren, und weil Geld knapp war, wurde er wütend, und er schimpfte sehr.
Am folgenden Morgen brachte das kleine Mädchen die Geschenkschachtel ihrem Vater und sagte: "Das ist für dich Papa!"
Der Vater war verlegen, weil er am Vortag so geschimpft hatte.
Er öffnete beschämt die Geschenkschachtel und wurde wieder zornig als er sah, dass sie leer war.
"Weißt du denn nicht, junge Dame, dass wenn man jemand ein Geschenk gibt, auch etwas in der Verpackung sein soll?!" sagte er und runzelte die Stirn.
Das kleine Mädchen betrachtete ihren Papa mit Tränen in den Augen und sagte: " Aber Papa, schau! Sie ist nicht leer. Ich hab so viele Bussis hineingegeben, bis sie ganz voll war!"
Der Vater war ganz zerknirscht, und plötzlich war ein Klotz im Hals und die Augen wurden ihm schwer.
Er legte die Arme um seine kleine Tochter, drückte sie fest an sich, und bat sie, ihm seinen unnötigen Zorn zu verzeihen.
Kurze Zeit später starb das kleine Mädchen bei einem Unfall.
Der Vater behielt die Goldschachtel, die er von seiner kleinen Tochter geschenkt bekommen hatte sein ganzes Leben lang neben seinem Bett. Immer wenn er durch schwierige Probleme entmutigt wurde, öffnete er seine Goldschachtel und stellte sich vor, einen Kuss von seinem kleinen Mädchen herauszunehmen, und erinnerte sich dabei an die Liebe dieses Kindes, die sie dort hineingegeben hatte.

Jeder von uns hat so eine goldene Schachtel, die gefüllt ist mit bedingungsloser Liebe und Küssen von unseren Kindern, von Familie und von Freunden.
Das ist der kostbarste Besitz, den man haben kann.

Stark angelehnt an den Inhalt einer Schneeball-Spam vom Jänner 2011, Autor unbekannt.